Reform der Entsenderichtlinie und deren Auswirkungen auf die Bauwirtschaft

Das europäische Parlament hat im Frühjahr 2018 die Reform der europäischen Entsenderichtlinie (Richtlinie 96 / 71 / EG) beschlossen, welche auch zu Änderungen im Baugewerbe führen wird. „Bei längerfristigen Bauvorhaben sollten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Reform der Entsenderichtlinie bereits jetzt berücksichtigt werden“, rät Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB), deshalb seinen Mitgliedern. Die Frist für die Umsetzung der europäischen Vorgaben in nationales Recht endet am 30. Juli 2020.

 

Die Zahl der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Bisher erhalten vorübergehend ins EU-Ausland entsandte Arbeitnehmer meist weniger Lohn als einheimische Arbeitnehmer. Die Reform der Entsenderichtlinie soll nach Vorstellungen des europäischen Gesetzgebers künftig nach dem Grundsatz „des gleichen Arbeitsentgelts für die gleiche Arbeit am gleichen Ort“ die Position der entsandten Arbeitnehmer stärken. Neuerungen ergeben sich insbesondere bei der Entlohnung der entsendeten Arbeitnehmer, dem Anwendungsbereich allgemeinverbindlicher Tarifverträge, dem erweiterten Schutz von Leiharbeitnehmern sowie den Bestimmungen zur sogenannten langfristigen Entsendung.

Aus dem europäischen Ausland nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer können sich innerhalb der Lohngruppen 1 und 2 bereits derzeit ab dem ersten Tag der Entsendung auf den allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe (TV Mindestlohn) berufen. Eine über den Mindestlohn hinausgehende Entlohnung jedoch können die entsandten Arbeitnehmer nicht fordern, selbst wenn diese lokalen Arbeitnehmern ggf. gewährt wird, denn der Gleichbehandlungsgrundsatz als genereller Maßstab hat auch in der neuen Richtlinie keinen Niederschlag gefunden. Hierzu müsste die Entlohnung in nationalen Rechtsvorschriften oder in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgelegt sein. Ein Anspruch auf Entlohnung in den Lohngruppen 3-6 wird künftig ebenfalls nicht entstehen, denn diese sind nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden.

Allerdings werden entsendete Arbeitnehmer nach Umsetzung der Richtlinie ab dem ersten Tag ihrer Entsendung nach Deutschland Sondervergütungsbestandteile, wie sie der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) vorsieht, beanspruchen können, wie zum Beispiel Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertage, Erschwernis, Fahrtkosten, Verpflegung und Unterkunft. Verschärft werden auch die Voraussetzungen, unter denen die Entsendezulage auf den Mindestlohn angerechnet werden kann. Hier gilt zum Schutz der Arbeitnehmer, solange die nationale Gesetzgebung keine anderslautenden Regelungen trifft: Die Entsendezulage dient der Erstattung entstandener Kosten und kann nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Künftig können Arbeitnehmer, die länger als zwölf Monate entsandt werden, außerdem einen Anspruch auf sonstige Arbeitsbedingungen gemäß BRTV geltend machen. Das betrifft zum Beispiel die Einrichtung eines Arbeitszeit- und Entgeltkontos, die Freistellung aus bestimmten Gründen oder Sterbegeld.

Bis zum 30. Juli 2020 haben nationale Gesetzgeber nun Zeit, die Vorgaben der europäischen Entsenderichtlinie umzusetzen. Bis dahin haben die Änderungen keine Gültigkeit. Gleichwohl ist zu erwarten, dass der Einsatz aus dem europäischen Ausland entsandter Arbeitnehmer, etwa im Rahmen von Subunternehmerverträgen, u. a. aufgrund der zu erfüllenden Anforderungen des BRTV, deutlich teurer wird. In der Praxis sollten Werkverträge und Verhandlungsprotokolle zunächst also unter Vorbehalt geschlossen und der Vertrag bei Auswirkungen auf Grund der reformierten Entsenderichtlinie angepasst werden, so Gilka. Im Übrigen bleibe abzuwarten, wie genau die Umsetzung der europäischen Richtlinie in deutsches Recht erfolge.

 

 

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